Autor: NZD

  • There is no alternative?

    Der Allmächtige HAT Humor, glaube ich.

    2008
    Die Ehe währte drei Jahre.

    Ich: „So insgesamt vielleicht ein bisschen armselig, die ewige Liebe in der Kirche zu versprechen und sich nach drei Jahren wieder zu trennen, oder?“

    Sie: „Wieso?“

    Um die Lächerlichkeit meiner Ehe herauszuzögern spiele ich auf Zeit und spendiere uns eine Eheberatung.

    Sie: „Ich empfinde nichts mehr. Garnix.“

    Therapeut: „Ich habe ein gutes Gefühl. Da ist noch etwas.“

    Nach drei Terminen Abbruch der Therapie und Trennung.

    „Vielen Dank, Sie Stümper“, schreibe ich etwas nachtragend in das Grußfeld der Banküberweisung an den Therapeuten.

    Die großen Post-Ehe-Glücks- und Befreiungsgefühle bei meiner Ex-Frau bleiben aus – sie wird noch depressiver und töpfert in der Psychiatrie Enten in Matrosenkleidung.

    Zwei Jahre später bin ich in ihrer Wohnung, um meine Tochter abzuholen. Die Ex-Frau liegt mit einer Lungenentzündung im Bett. Ich setze mich zu ihr, während meine Tochter vergnügt ihren Koffer packt.

    Ich: „Ich wollte mich bei dir bedanken.“

    Ex: „Watt?“

    Ich: „Es war richtig, dass du mich verlassen hast. Ich hatte nur Sorge um unsere Tochter, aber die wirkt inzwischen wieder stabil und glücklich.“

    Ex: „Aha.“

    Ich: „Ich hätte es nie gemacht oder gekonnt – aber es war wirklich gut und richtig. Danke!“

    Ex: „Meine beste Freundin hat dich übrigens letztes Wochenende nachts mit zwei 19jährigen in der Vodka-Bar gesehen. Du bist dann mit denen dann abgehauen.“

    Ich: „Ich muss los. Gute Besserung!“

    Eine Minute später hat sie sich bei meiner Mutter beschwert, dass ich sie verarsche und mich für die Trennung bedankt hätte. DAS hätte sie ja nie gedacht. Sie sei davon ausgegangen, dass wir wieder zusammenkämen.

    Die nächsten Jahre gehören meiner Tochter, wir haben die schönste Zeit meines Lebens und ich bekomme Komplimente und eine Kaffeetasse: bester Papa aller Zeiten.

    Eventuell und ohne dass das meine Tochter jemals mitbekommt, habe ich Dates. Ich hatte nie weniger Sex als in meiner Ehe. Also probiere ich mich als Teilzeit-Sex-God aus. Das klappt mehr oder weniger gut. Aber es ist keine Frau dabei, die ich meiner Tochter vorstellen würde. Nicht schlimm, und Patchwork ist für alle Beteiligten doof, finde ich.

    2015
    Es ist klar, was passiert, wenn man Patchwork doof findet.

    Sie: „Ich habe vier Kinder.“

    Ich: „Du bist nicht vermittelbar.“

    Sie: „Ich suche keinen Vater für meine Kinder. Die haben einen Vater. Ich suche einen Partner für mich!“

    Sie besteht auf ein Date. Ich verbuche das Date als Mutprobe, weil ich nichts mit Patchwork-Gewusel am Hut haben will.

    Blöderweise war Sie dann die erste Frau, die ich meiner Tochter zugemutet hätte. Wir sind inzwischen zehn Jahre zusammen und haben rund 123.000 Hürden zusammen gemeistert.

  • Wo bin ich gelandet?

    Der Allmächtige hat Humor, glaube ich.

    2015
    Ich schaue „Earthlings“. Zu der Zeit habe ich einen Stammplatz im besten Steakhaus der Stadt, wo man mich und meine Tochter mit Namen begrüßt. Als Kind habe ich meinen Vater auf die Jagd begleitet und meine Hände im Winter an Wildscheindärmen gewärmt. Ich hatte eine tolle Zeit mit ihm auf Jagden in den Rocky Mountains in Britisch Kolumbien. Und nach 60 Minuten „Earthlings“ bin ich „veganisiert“. Ich sitze auch nicht mehr an irgendwelchen Tischen, auf denen Tierteile liegen. Mein Vater, der alte weiße Jäger, findet das nicht so gut. Meine Mutter beschwichtigt ihn und mich mit dem Buchenwald-Slogan: „Jedem das Seine.“

    Ich: „Gilt das auch für Lampenschirme aus Menschenhaut?“
    Muttimaus: „Was redest du nur?“

    2019
    Eddie, der sanfteste Jagdhund, den man sich vorstellen kann, legt sich im Revier auf die Füße meines Vaters und stirbt. Wir kaufen eine große Holzkiste im Baumarkt. Ich grabe ein tiefes Loch an einer schönen Stelle mit Talblick auf einem großen Grundstück am Waldrand. Mein Vater weint – um den Hund und um sich. Er denkt, dass er zu alt für einen neuen Hund ist.

    Ich: „Mein Tipp – Jagdhunde in Not. Ihr könnt einem gut gebrauchten Jagdhund ein neues zu Hause geben. Die haben dann schon ein paar Kilometer runter, sind aber auch nicht mehr so wild. Ein neuer Jagdhund hat zu viele PS und bringt euch um.“

    Vater: „Ich bin zu alt für überhaupt noch einen Hund.“

    Lungenkrebs, Schlaganfall und Nieren kurz vor der Dialyse. Er hat nicht ganz unrecht.

    Muttimausi wähnt ihren Mann in einer Depression und ordert einen nagelneuen Deutsch-Kurzhaar.

    Meine Bedenken werden abgetan. Nihil novi.

    Der Züchter behauptet, nach langen und intensiven Beobachtungen den ruhigsten Rüden aus dem Wurf ausgesucht zu haben.

    2024
    Bruno, der Braune, hat nach meinen Berechnungen mindestens 14.000 PS und sorgt im Laufe der Jahre für sechs schwere Operationen bei meinem Vater: drei Wirbelsäulen- und drei Gehirn-OPs. Nach der letzten Gehirn-OP schaltet man nach Rücksprache mit Muttimausi und mir die Geräte ab. Er stirbt im August 2024.

    In Wahrheit hat Bruno Komplizen: ein Spannbettuch und Muttimausi. Muttimausi fand die Hundehaare doof und hatte das Spannbettuch als Stolperfalle über die Couch meines Vaters gespannt. Er knallte vornüber auf den Kopf und war sechs Wochen später tot.

    Ich erbe Bruno und einen VW Bus Baujahr 2012.

    Direkt nach der Urnenbeerdigung im väterlichen Wald, fahren Bruno und ich an die Ostsee. Ich verspreche ihm, ihn jedes Jahr mindestens einmal im Meer baden zu lassen.

    Rückblick: als sich das Schicksal meines Vaters zu verengen begann, fragte Muttimausi, ob ich Interesse an der alten und kleinen Jagdhütte mit dem großen Grundstück hätte. Falls nicht würde man an einen Verkauf denken, weil der Garten viel zu groß und pflegeaufwendig sei. Es fühlte sich richtig an, meine Eltern zu unterstützen. Außerdem hing ich an der alten Hütte. Ich zog ein, ging mit Bruno spazieren und kümmerte mich um den Garten.

    Als ich die Jagdhütte renovieren wollte, schrie mich mein Vater auf seine letzten Meter an: „NUR ÜBER MEINE LEICHE!“

    Die naheliegendste Reaktion: Sachen packen und abreisen. Die reflektierte Reaktion: runterschlucken und für den Hund da bleiben.

    Zwei Monate später war er tot.

    Das war mir unheimlich, und ich habe erstmal ums Haus herum renoviert – ein Garten- und ein Baumhaus. Und eine Sauna gebaut.

    Bruno hat mich lieb – nicht zuletzt wegen der bio-veganen Ernährung, denke ich. Der berühmteste rein pflanzlich ernährte Hund hieß Bramble und wurde 25 Jahre alt. Schauen wir mal, ob wir das auch hinbekommen.

    Keine Ahnung, was mein Vater davon hält, dass der blöde Veganer-Sohn seinen Jagdhund veganisiert und in seiner alten Jagdhütte lebt. Aber da muss er jetzt wohl durch.

  • Fick dich, Gottfried.

    Ich habe ein schönes Leben, behaupte ich ich seit etwa einem Jahr. Aber man kann viel behaupten. Schauen wir, ob das stimmt und was ich als nächstes behaupte.

    Gottfried behauptet, es gäbe…

    Nur zwei Dinge

    Durch so viel Formen geschritten,
    durch Ich und Wir und Du,
    doch alles blieb erlitten
    durch die ewige Frage: wozu?

    Das ist eine Kinderfrage.
    Dir wurde erst spät bewusst,
    es gibt nur eines: ertrage –
    ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
    dein fernbestimmtes: Du musst.

    Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
    was alles erblühte, verblich,
    es gibt nur zwei Dinge: die Leere
    und das gezeichnete Ich.

    Das wollen wir erst mal sehen, Gottfried.